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Demoversion-Bild
1 Gravitationsfeld

Das Entstehen der Gezeiten


Alle 24 Stunden und 50 Minuten steigt und sinkt an den Küsten der Meeresspiegel ­zweimal. Der Wechsel zwischen Niedrigwasser, Ebbe, und Hochwasser, Flut, heißt Gezeiten.

Tidenhub und Mondstellung
Marzell, Alfred, Schwäbisch Gmünd

Sie entstehen, weil sich die Erde in diesem Zeitraum unter zwei auf entgegen­gesetzten Seiten der Erde auftürmenden ­Wasserbergen hindurchdreht. An manchen Stellen der Erde sind die Gezeiten so stark, dass der „Tidenhub“ zwischen dem höchsten Wasserstand bei Flut und dem niedrigsten Stand bei Ebbe den Betrieb von Wasserkraftwerken lohnend macht.

Prinzip eines Gezeitenkraftwerks
Marzell, Alfred, Schwäbisch Gmünd

Alle 29 Tage wiederholen sich für einen Ort auf der Erde die Zeitpunkte der Gezeiten. Dies ­entspricht der Zeit für einen Umlauf des ­Mondes um die Erde. Es zeigt sich, dass die Gezeiten etwas mit der Gravita­tion und der Bewegung von Erde und Mond zu tun haben.

Körper auf der dem Mond zugewandten Seite haben einen ­kleineren Abstand zum Mond als solche auf der abgewandten Seite. Die Gravitationskraft weicht dort von der am Erdmittelpunkt wirken­den ab. Befinden sich drei Körper ​​K1​​, ​​K2​​ und ​​K3​​ mit gleicher Masse in einer Reihe vor dem Mond, so werden sie infolge seiner Gravitationskraft auf ihn zu beschleunigt: ​​

a1G=γmMond(r+R)2; ​​a2G=γmMondr2; ​​a3G=γmMond(r-R)2

Marzell, Alfred, Schwäbisch Gmünd
Marzell, Alfred, Schwäbisch Gmünd

Drei gleiche Körper werden entsprechend ihrem Abstand zum Mond unterschiedlich stark beschleunigt, sodass ihr gegenseitiger Abstand größer wird.

Da a1G<a2G<a3G ist, bleibt Körper ​​K1​​ gegenüber K2​​ zurück und ​​K3​​ entfernt sich weiter von ​​K2​​. Das System ​​K1 − ​​K2​​ − ​​K3​​ dehnt sich also in­folge der Gravitationskraft des Mondes aus. Der Schwerpunkt des Systems Erde-Mond befindet sich im Erdinneren bei 34R. Bei einem Umlauf des Mondes beschreiben alle Punkte der Erde parallele, gleich große Kreise mit dem Radius 34R, jedoch mit verschiedenen Mittelpunkten.

Rotation des Systems Erde – Mond in 29 Tagen um eine Achse durch den gemeinsamen Schwerpunkt
Marzell, Alfred, Schwäbisch Gmünd

Die Zentripetal­beschleunigungen für K1​​ , ​​K2​​ und ​​K3​​

a1Z=a2Z=a3Z=ω23R4 mit ω=2π29d

sind gleich und die die Gezeiten bildende Differenz aGaZ bleibt für jeden Punkt erhalten. Dies ändert sich nicht, wenn man für ​​K1​​ und K3​​ das Meer, für ​​K2​​ die Erde nimmt. Es bildet sich ein Wulst in Richtung der Verbindungslinie von Erde und Mond. Da die Mondbeschleunigung ​​107-mal kleiner als die Erdbeschleunigung ist, wird sich das Meer kaum von der Erdoberfläche abheben. Nur in den nördlich bzw. südlich vom Äquator gelegenen Breiten ruft ihre ständig wirkende tangentiale Komponente eine Ansammlung des Wassers zu Flutbergen hervor.

Seitliches Zuströmen des Wassers ruft die Flutberge hervor.
Marzell, Alfred, Schwäbisch Gmünd